1.: Geordnete Kammerkomplexe sind abgrenzbar, es liegt ein perfundierender Rhythmus vor.
2.: Innerhalb 6 Sekunden sind 22 QRS Komplexe zu sehen, was einer Frequenz von ca. 220/Minute entspricht. Es liegt somit eine ausgeprägte Tachykardie vor.
3.: Die QRS-Komplexe messen weniger als 2mm und sind demnach mit unter 80 Millisekunden eindeutig schmal.
4.: Der Rhythmus ist mit konstanten RR-Intervallen durchweg regelmäßig.
Nach den ersten vier Schritten der strukturierten Rhythmusanalyse handelt es es sich also um eine:
Regelmäßige Schmalkomplextachykardie, also einen Rhythmus aus der Gruppe der supraventrikulären Tachykardien (SVT).
Die Ursachen von Tachykardien sind vielfältig. Vegetative Reaktionen auf Stress, Angst, Schmerz, etc. müssen hier genauso wie Bedarfstachykardien bei Hypoxie oder Hypovolämie in Erwägung gezogen werden. Als grobe Orientierung für die maximale Herzfrequenzrate durch einen gesteigerten Sympathikus-Tonus ist hier die Formel von 220 – Lebensalter in Jahren weit verbreitet. Bei der 36jährigen Frau Schäfer würde dies einem Wert von ca. 180/Minute entsprechen, welcher also deutlich überschritten ist. Differentialdiagnostisch müssen jedoch speziell Hypovolämien und Hypoxien immer klinisch ausgeschlossen werden, da eine primär antiarrhythmische Behandlung einer Bedarfstachykardie fatale Folgen haben kann.
Im vorliegenden Fall ergeben sich weder aus der Anamnese, noch aus den aktuellen Parametern Hinweise auf einen Volumenmangel oder eine respiratorische Störung.
Die häufigste Ursache von hochfrequenten paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien sind Reentry-Mechanismen. Hierbei kommt es durch eine zusätzliche elektrische Verbindung zwischen Vorhof- und Kammerebene (AVRT) oder durch mehrere Leitungswege (pathways) im AV-Knoten (dualer AV-Knoten, AVNRT) zu einer kreisenden elektrischen Erregung, welche eben durch hohe Kammerfrequenzen bei regelmäßigem Rhythmusbild gekennzeichnet sind. Die hohe Frequenz, der plötzliche Beginn sowie das Fehlen von Hinweisen auf eine akute Ischämie lassen bei Frau Schäfer das Vorliegen einer solchen Reentry-Tachykardie vermuten.
Die primäre Therapie richtet sich nach dem klinischen Zustand der Patientin und sollte den aktuellen ACLS-/ALS-Leitlinien der internationalen Fachgesellschaften (American Heart Association, European Resuscitation Council) folgen. Bei Frau Schäfer zeigen sich keine Anzeichen eines Schockes oder eine Herzinsuffizienz, von synkopalenZuständen oder Thoraxschmerz wurde nicht berichtet und Ischämiezeichen sind, wie gesagt, nicht vorhanden. Somit ist keines der sogenannten „Instabilitätskriterien“ erfüllt, die Patientin wird als klinisch „stabil“ eingestuft. Wenn ihr nun mit den EKG-Befunden dem Algorithmus weiter folgt, landet ihr von ganz allein bei der Therapie von stabilen und regelmäßigen Schmalkomplextachykardien. Demnach kämen bei Frau Schäfer primär vagale Manöver (Carotissinus-Massage, Valsalva-Manöver, etc.) in Frage. Medikamentös wäre Adenosin (bolusweise 6mg --> 12mg --> 12mg) zur temporären AV-Knoten-Blockade das Mittel der Wahl. Während die Konversionsrate durch vagaleManöver bei ca. 25% liegt, reagieren etwa 90% aller Reentry-Tachykardien innerhalb der ersten 2 Minuten auf Adenosin.
Soviel zum Fall von Frau Schäfer. Außer dem kurzen Ausflug in die Therapie der SVTs solltet ihr im Hinblick auf die Rhythmusanalyse hier vor allem eines mitnehmen: Das 6-Punkte-Schema zur strukturierten Rhythmusanalyse hat vor allem ein Ziel: Bedrohliche Störungen sollen so schnell wie möglich erkannt und therapiert werden. Wie ihr gesehen habt, untersuchen die Schritte 1 bis 4 ausschließlich die Kammerkomplexe, während der Vorhofaktion bislang keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wenn ihr euch das Flussdiagramm des Tachykardie-Algorithmus nun noch einmal anschaut, dann seht ihr, dass ihr mit Frequenz, QRS-Dauer und –Regelmäßigkeit alle Informationen habt, die ihr für die Auswahl der indizierten Akuttherapie benötigt. P-Wellen und PQ-Zeiten sind an dieser Stelle ganz einfach nicht relevant und deren Analyse würde allenfalls zu unnötigen Zeitverlusten führen. Haltet euch deswegen in Notfallsituationen an die Regel „Treatfirstwhat killsfirst“ und konzentriert euch auf das Wesentliche. Im Hinblick auf die EKG-Analyse seit ihr mit dem 6-Punkte-Schema auf dem richtigen Weg.