Kammerkomplexe sind deutlich abgrenzbar, die Frequenz liegt im Ausschnitt bei ca. 70/Minute.
Die Kammerkomplexe sind schmal, die RR-Intervalle arrhythmisch mit einer Differenz von ca. 320ms zwischen dem kürzesten und dem längsten Intervall.
P-Wellen sind sichtbar, wobei sich morphologisch leichte Unterschiede in der Amplitude zeigen. Die PP-Intervalle zeigen die selbe Unregelmäßigkeit wie die RR-Intervalle. Das Verhältnis von P-Wellen zu Kammerkomplexen beträgt 1:1, die PQ-Zeit ist kleiner als 200 Millisekunden und über den gesamten Ausschnitt konstant.
Mit Ausnahme der Arrhythmie sind hier alle Kriterien eines Sinusrhythmus erfüllt. Aber muss ein Sinusrhythmus wirklich regelmäßig sein und sind Arrhythmien wie diese sicher pathologisch?
Die Antwort lautet zwei Mal nein! Was ihr hier sehr, ist mit Intervalldifferenzen von mehr als 160 Millisekunden eine sogenannte Sinusarrhythmie, und diese kann durchaus physiologisch sein
Im vorliegenden Fall handelt es sich um das Beispiel einer respiratorisch bedingten Sinusarrhythmie. Während der Inspiration kommt es über Dehnungsreflexe zu einer Reduktion des vagalenTonus und damit zu einem Anstieg der Herzfrequenz. In der Exspirationsphase entfällt dieser hemmende Einfluss, so dass die parasympathische Aktivität wieder zunimmt. Die Folge ist ein Absinken der Herzfrequenz.
Diese Variabilität der Herzfrequenz ist also nicht nur nicht krankhaft, sondern im Gegenteil ein physiologisches Zeichen für eine gute vegetative Innervation. Dementsprechend sind respiratorische Arrhythmien vor allem bei jungen und gesunden Menschen typisch.
Fairerweise muss man zugeben, dass ein Ausschnitt von 7 Sekunden zu kurz ist um eine respiratorische Arrhythmie zu erkennen – vor allem wenn man eben nur den Ausdruck ohne passenden Patienten hat. Trotzdem kann man hier folgendes mitnehmen: Ein Sinusrhythmus muss nicht absolut regelmäßig sein, sondern kann sich mit wechselndem vegetativem Einfluss auch innerhalb kurzer Zeiträume regelmäßig verändern.
Die aufmerksamen unter euch sind vielleicht über die unterschiedlich hohen P-Wellen gestolpert. Recht habt ihr! Polymorphe P-Wellen sollten immer hinterfragt werden. Im gegebenen Fall ist jedoch auch dies normal und lässt sich durch den sogenannten „Pacemaker-Shift“ erklären. Aber das ist ein anderes Thema und lässt sich in der Literatur oder unserer e-learning-Lektion „Herz, Rhythmus und Störung – 1.: Sinusrhythmen“ (Ab Frühjahr online auf www.smedex.com) entdecken.
Patient männlich, 29 Jahre. Zuweisung durch den Rettungsdienst.
Der Patient war beim Handballtraining mit einem Gegenspieler zusammengeprallt und für ca. 30 Sekunden bewusstlos gewesen. Seither ist er durchgängig wach und orientiert, klagt aktuell über
Kopfschmerz sowie anhaltende Übelkeit ohne Erbrechen. Zum Ereignis besteht eine retrograde Amnesie.
AF 16/min., SpO2 bei Raumluft 98%, RR 110/60mmHg, BZ 5,4mmol/l (97mg/dl), Temp. 36,4°C.
In der Untersuchung unauffälliger Status, insbesondere keinerlei neurologische Ausfälle. Keine äußerlich sichtbaren Verletzungen.
Keine Allergien, keine Vorerkrankungen, keine Dauermedikation, unauffällige Familienanamnese, gelegentlicher C2-Konsum.
Den Rhythmusstreifen erhaltet ihr bei der Übergabe vom Rettungsdienst. Wie lautet eure Rhythmusdiagnose?
Hier kann diskutiert werden: https://www.facebook.com/12leads.de
Literatur:
Monfredi O, Dobrzynski H, Mondal T, Boyett MR, Morris GM. The anatomy and physiology of the sinoatrial node--a contemporary review. Pacing
Clin Electrophysiol. 2010 Nov;33(11):1392-406. doi: 10.1111/j.1540-8159.2010.02838.x. Epub 2010 Oct 14.
Boyett MR, Honjo H, Kodama I. The sinoatrial node, a heterogeneous pacemaker structure. Cardiovasc Res. 2000 Sep;47(4):658-87.
Malik M, Camm AJ. Heart rate variability. Clin Cardiol. 1990 Aug;13(8):570-6. Review.
Heart rate variability. Standards of measurement, physiological interpretation, and clinical use. Task Force of the European Society Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology. Eur Heart J. 1996 Mar;17(3):354-81.
Grossman P, Taylor EW. Toward understanding respiratory sinus arrhythmia: relations to cardiac vagal tone, evolution and biobehavioral functions. Biol Psychol. 2007 Feb;74(2):263-85. Epub 2006 Nov 1.